Ein kleines Reisetagebuch

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guenniguenzelsen
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Re: Ein kleines Reisetagebuch

Beitrag von guenniguenzelsen »

14.09.2021

Ich starte mit einem einfachen Frühstück in den Tag. Beim Aufbruch suche ich noch kurz meine Gastgeber, um mich zu verabschieden. Dabei laufe ich auch versehentlich in die Küche - was ich besser nicht gemacht hätte. Aus dem Schmutz kam also gestern mein Abendessen....
Naja, es hat geschmeckt und mein Magen scheint sich auch nicht zu beschweren. Ich habe in anderen Teilen der Welt schon schlimmer gegessen :-)

Rollertour Balkan 2021 475.jpg


Heute möchte ich die Panoramastraße entlang des Skutarisees nach Süden fahren.
Das Wetter zeigt sich wieder von seiner besten Seite und beim Start in den Bergen sehe ich im Hintergrund schon das Wasser des Sees.


Rollertour Balkan 2021 476.jpg


Dadurch, dass ich früh gestartet bin, habe ich die kleine Küstenstraße quasi für mich alleine. Die Aussicht ist phänomenal und so lasse ich mir Zeit und lege den einen oder anderen Foto-Stopp ein.


Rollertour Balkan 2021 482.jpg

Rollertour Balkan 2021 487.jpg


Irgendwann verlasse ich dann die Panoramastraße, um den Roller über den nächsten Pass zu treiben, der zur Belohnung dann den Blick in die Weite der vor mir liegenden Landschaft freigibt.
Irgendwo da unten liegt die nächste Grenze, auf die ich bei einer ziemlich schnellen Abfahrt und ein paar unerwarteten Schlaglöchern zuhalte.
Zwischendrin halte ich an. Das Gepäck hat sich losgerappelt, ist aber sofort wieder verzurrt. Routine habe ich inzwischen genug :-)


Rollertour Balkan 2021 493.jpg


Der Grenzübertritt gestaltet sich wieder schwierig.
Es wird wieder Ausweisdokument und Fahrzeug-Zulassung verlangt.
Wieder machen die dürftigen Rollerdokumente Probleme.
Der Grenzer glaubt mir nicht, dass die Nummer im Dokument mein Kennzeichen ist. Er kommt aus seiner Hütte, schaut sich das Kennzeichen an und schüttelt immer wieder mit dem Kopf.
Es werden die Papiere immer wieder studiert, aber es geht einfach nicht weiter.
Wird evtl. erwartet, dass ich mit Bargeld die Sache etwas "entkompliziere"? Ich lege mein Portemonnaie auf die kleine Ablage am Grenzhäuschen und greife mal langsam in Richtung der Euro-Scheine. Der Grenzer gibt mir aber mit einem deutlichen Blick zu verstehen, dass ich diesen Gedanken nicht weiter verfolgen soll!
Es kommt nach einer Weile ein Kollege, was aber nur dazu führt, dass nun zwei ratlose Grenzbeamte sich mit meinen mickrigen Zetteln beschäftigen.
Ich versuche so gut wie möglich zu erklären, dass das eben eine spezielle Zulassung für Fahrzeuge bis 50ccm ist.
Irgendwann entschließen die beiden sich dann, mich passieren zu lassen.
Herrje...bin ich denn heute der einzige gewesen, der mit dem 50er Roller aus Deutschland über die Grenze will? ;-)
Ich muss mir auf jeden Fall etwas einfallen lassen. So kann das nicht weitergehen. Zwei Mal nur durch Glück und Zufall den Grenzübertritt hinbekommen zu haben, ist ein Risiko das ich für die Weiterreise nicht eingehen möchte.
Zunächst habe ich es aber erst mal geschafft.
Ich bin in Albanien!

Rollertour Balkan 2021 494.jpg


Unmittelbar nach der Grenze tanke ich den Roller voll, weil an der Tanke ausgelobt ist, dass sie auch Euro akzeptieren. Ich weiß zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass diese Tanke mir später noch in Erinnerung bleiben wird. Zunächst bin ich froh, dass ich so unkompliziert tanken und weiterfahren kann, denn die Füllung wird bis zu meinem heutigen Ziel reichen. Tirana - Hauptstadt Albaniens.


Rollertour Balkan 2021 497.jpg


Jetzt geht es auf einer top ausgebauten Hauptstraße mit mäßigem Verkehr immer geradeaus Richtung Tirana.
Später leitet das Navi mich von der Hauptstrecke auf eine etwas direkter verlaufene Nebenstrecke. Ich finde das gut, denn bisher hat sich das landschaftlich meist gelohnt.
Hier und da halte ich für ein kurzes Foto. Die Dörfer und Orte sind bedeutend einfacher als in den zurückliegenden Ländern.


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Was zunächst als recht angenehme Nebenstrecke startete, entpuppte sich dann aber als wirklich fürchterliche Route.
Die Orte, Häuser und Bebauung wurden immer runtergekommener, am Straßenrand und in der Landschaft lag überall Müll und Schrott und die Straße war teils in schlechtem Zustand.
Das Ätzendste waren aber die Albanischen Verkehrsberuhigungen. Es wurde einfach quer über die Straße ein Asphalt-Huckel gebaut. Nicht irgendwelche kleinen Erhebungen, nein richtig fiese Buckel, die einem Autofahrer einfach die Achse brechen, wenn er sie übersieht. Es gab darauf keine Hinweise per Schild und die Huckel waren teilweise einfach erst im letzten Moment sichtbar, weil sie aus genauso verblichenem Asphalt bestanden, wie der Rest der Straße.
Vor den meisten bremste ich ab und bin dann langsam drüber, zwei oder drei sah ich erst im letzten Moment und musste eine Vollbremsung inklusive schrägem Rutschen hinlegen und einen dieser fiesen Buckel habe ich übersehen und bin ungebremst drüber. SCHEIßE hat das im Gebälk gescheppert! Ich dachte, der Roller kann das nicht unbeschädigt überstanden haben, mindestens der Lenkkopf samt Lager muss doch sicherlich hin sein, aber außer dem verrutschen Gepäck schien alles in Ordnung zu sein.
Warum hab ich Idiot die toll ausgebaute Hauptstrecke verlassen?

Bilder habe ich währenddessen kaum gemacht, zu sehr war ich mit der Situation beschäftig, daher hier nur zwei Eindrücke.
Einmal ein verlassener Industriekomplex, der auf einer Länge von einem Kilometer am Straßenrand war, das andere einer der Schrottplätze. Ich bin an hunderten solcher Schrottplätze und simplen Werkstätten vorbeigekommen.
Was auch ganz deutlich wurde, zumindest in diesen kleinen Orten und Dörfern: Es wird Mercedes gefahren. 90% aller Autos waren Mercedes. Vom alten W123, bis zur neuen S-Klasse.
Über Herkunft und Finanzierung will ich an dieser Stelle mal nicht spekulieren...


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Ich komme nach einer gefühlten Ewigkeit im Speckgürtel von Tirana an.
Der Verkehr ist abenteuerlich. Es ist das totale Chaos, alles fährt durcheinander, es wird ständig gehupt - die Aggressivität von deutschen Autofahrern fehlt aber komplett. So schlängele ich mich mit meinem Roller durch das Chaos und finde endlich das kleine Hotel, in dem ich mich heute einquartiert habe.
Die Leute sind herzlich und total freundlich, ohne aufdringlich zu sein.
Meinen Roller kann ich im Hof abstellen und ich freue mich auf die Dusche, um den Straßendreck der heutigen Etappe loszuwerden.

Tirana selbst ist eine nette Stadt, ohne jedoch allzu viele Sehenswürdigkeiten zu haben.
Ich esse gut und schaue mir das Zentrum an.


Rollertour Balkan 2021 517.jpg

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Rollertour Balkan 2021 535.jpg


Interessant finde ich die Ampeln. Eine Idee, die man hier auch aufgreifen könnte.


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Rollertour Balkan 2021 536.jpg


Später lasse ich den Abend bei Mondschein und angenehmen Temperaturen draußen in einer Bar ausklingen.


Rollertour Balkan 2021 540.jpg


Wie geht es nun weiter? Ich bin inzwischen an einem ziemlich südlichen Punkt und muss daran denken, dass die Rückreise ja auch noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Es sei denn, ich lasse den Roller am Straßenrand stehen und reise per Flieger zurück...aber das ist und war immer nur Plan C. :-)
Ich kalkuliere hin und her und entschließe mich dann, dass ich noch eine Etappe weiter Richtung Süden anhängen werde...
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Thomas
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professor-berni

Re: Ein kleines Reisetagebuch

Beitrag von professor-berni »

guenniguenzelsen hat geschrieben: Fr 7. Jan 2022, 14:15 Herrje...bin ich denn heute der einzige gewesen, der mit dem 50er Roller aus Deutschland über die Grenze will? ;-)
Nicht "heute"! Der erste überhaupt! :lol:
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Re: Ein kleines Reisetagebuch

Beitrag von dqp-sammy »

Was auch ganz deutlich wurde, zumindest in diesen kleinen Orten und Dörfern: Es wird Mercedes gefahren. 90% aller Autos waren Mercedes. Vom alten W123, bis zur neuen S-Klasse.
Über Herkunft und Finanzierung will ich an dieser Stelle mal nicht spekulieren...


Siehe hier !
https://www.youtube.com/watch?v=47wb0XKdYNs
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Re: Ein kleines Reisetagebuch

Beitrag von Altopelandi »

Sehr schöner Bericht mit Bildern finde ich super.
:prost:
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Re: Ein kleines Reisetagebuch

Beitrag von Commodore B GS/E »

Selbst der Polizeipräsident fährt mit einem in Deutschland geklauten Benz rum, das ist dort normal und interessiert dort keinen.
Hatten die Jahre auch mal einen Bericht im Fernsehen darüber.
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guenniguenzelsen
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Re: Ein kleines Reisetagebuch

Beitrag von guenniguenzelsen »

Man muss ganz klar sagen, dass Albanien ein Land im Wandel ist.
Auf der einen Seite die Armut, fehlende Infrastruktur und wirtschaftliche Perspektivlosigkeit, auf der anderen Seite sieht man aber auch den Wandel in vielen Regionen und die neue Orientierung in Richtung Tourismus und nachhaltiger Investitionen.

Albanien ist ja ein Land, das viele Jahre vom Chaos regiert wurde.
Die Kommunistische Regierung, später der Pakt mit China, das totale Religionsverbot in 67, in 97 dann die totale Anarchie im Land, später Aussendung von Schutztruppen.
Im Grunde geht es erst seit 2006 mit der Unterzeichnung des
Stabilisierungs- und Assoziierungsprogramms mit der EU politisch und wirtschaftlich bergauf.

Eine solche Reise, wie ich sie gemacht habe führt einem deutlich vor Augen, dass wir alle auf der gleichen Welt leben. Teilweise nicht mal eine Rollerreise entfernt. Aber diese eine Welt hat so unterschiedliche Lebensbedingungen für die Menschen. Und letztlich streben alle Menschen nach dem gleichen Ziel...nur die Chancen, Möglichkeiten und Rahmenbedingungen unterscheiden sich drastisch.

Und noch etwas möchte ich ergänzen. Wir haben häufig ein völlig falsches Bild von Land, Kultur und Leuten. Das ist ja auch ganz klar, die Nachrichten erzählen nur von den Krisen und Problemen. Als Daheimgebliebene haben wir gar keine Chance uns ein anderes Bild zu machen.
Als Reisender lernt man Land und Leute ganz anders kennen. Man hat Begegnungen mit Menschen, die einem Einblick in ihr Leben und ihren Alltag gewähren. Man sieht, dass das Leben eben anders ist, als der Eindruck den wir durch Berichterstattung über Krisen in diesen Regionen haben.

Wenn ihr Interesse habt, dann schließt Euch der weiteren Reise gerne an und ich werde Euch weiter teilhaben lassen und möglicherweise bereichert das Eure Sichtweise auf Land und Leute ja ebenso wie meine.
:-)
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Re: Ein kleines Reisetagebuch

Beitrag von Commodore B GS/E »

guenniguenzelsen hat geschrieben: Fr 7. Jan 2022, 22:35 Man muss ganz klar sagen, dass Albanien ein Land im Wandel ist.
Auf der einen Seite die Armut, fehlende Infrastruktur und wirtschaftliche Perspektivlosigkeit, auf der anderen Seite sieht man aber auch den Wandel in vielen Regionen und die neue Orientierung in Richtung Tourismus und nachhaltiger Investitionen.

Albanien ist ja ein Land, das viele Jahre vom Chaos regiert wurde.
Die Kommunistische Regierung, später der Pakt mit China, das totale Religionsverbot in 67, in 97 dann die totale Anarchie im Land, später Aussendung von Schutztruppen.
Im Grunde geht es erst seit 2006 mit der Unterzeichnung des
Stabilisierungs- und Assoziierungsprogramms mit der EU politisch und wirtschaftlich bergauf.

Eine solche Reise, wie ich sie gemacht habe führt einem deutlich vor Augen, dass wir alle auf der gleichen Welt leben. Teilweise nicht mal eine Rollerreise entfernt. Aber diese eine Welt hat so unterschiedliche Lebensbedingungen für die Menschen. Und letztlich streben alle Menschen nach dem gleichen Ziel...nur die Chancen, Möglichkeiten und Rahmenbedingungen unterscheiden sich drastisch.

Und noch etwas möchte ich ergänzen. Wir haben häufig ein völlig falsches Bild von Land, Kultur und Leuten. Das ist ja auch ganz klar, die Nachrichten erzählen nur von den Krisen und Problemen. Als Daheimgebliebene haben wir gar keine Chance uns ein anderes Bild zu machen.
Als Reisender lernt man Land und Leute ganz anders kennen. Man hat Begegnungen mit Menschen, die einem Einblick in ihr Leben und ihren Alltag gewähren. Man sieht, dass das Leben eben anders ist, als der Eindruck den wir durch Berichterstattung über Krisen in diesen Regionen haben.

Wenn ihr Interesse habt, dann schließt Euch der weiteren Reise gerne an und ich werde Euch weiter teilhaben lassen und möglicherweise bereichert das Eure Sichtweise auf Land und Leute ja ebenso wie meine.
:-)
Sehe ich genauso wie du Thomas,
habe einen Arbeitskollegen der aus Albanien kommt, der hat mir auch schon so einiges erzählt.
Wir sind im Urlaub ja auch immer auf eigene Faust, allerdings mit dem Auto, unterwegs und nur so lernt man das Land und die Leute kennen.
Das schlimmste war damals Tunesien, die Armut wenn man mal aus den Touristenhochburgen raus kommt ist schon erschreckend.

Jedenfalls ein toller Reisebericht und und freue mich schon auf die Fortsetzung. :prost:
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Re: Ein kleines Reisetagebuch

Beitrag von Commodore B GS/E »

Wie bist du eigentlich wieder zurück nach Deutschland gekommen und was hatte es mit der Tankstelle auf sich ?

Fragen über Fragen ?( :D

:prost:
professor-berni

Re: Ein kleines Reisetagebuch

Beitrag von professor-berni »

Commodore B GS/E hat geschrieben: Sa 29. Jan 2022, 13:58 Wie bist du eigentlich wieder zurück nach Deutschland gekommen
Scotty? Wurmloch? ;)
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Re: Ein kleines Reisetagebuch

Beitrag von guenniguenzelsen »

Ihr wisst ja wie das ist, manchmal kommt dann noch das echte Leben und der Beruf dazwischen und fordert Zeit.
Stets habe ich mir vorgenommen, den Reisebericht trotzdem noch weiterzuführen, irgendetwas kam dann immer dazwischen.

Gestern auf dem Treffen in Koblenz/Kalt bin ich von so vielen von Euch auf diese Reise und die Fortführung des Reiseberichts angesprochen worden, dass die interessierten Mitfahrer jetzt bitte wieder die Helme aufsetzen und sich bereit machen für die Weiterreise.
Ausgeruht dürften wir nach der "kleinen Pause" ja alle sein.

Es geht weiter!
:-)

15.09.2021

Bevor ich in dem kleinen inhabergeführten Hotel frühstücken gehe, kümmere ich mich um ein Dokument, das hoffentlich meine Weiterreise erleichtern wird.
Im Online-Bereich meiner Roller-Versicherung suche ich nach einer internationalen Versicherungskarte (ehemals Grüne Karte) und tatsächlich, das gibt es sogar für meinen 50er Roller!

Mit diesem Dokument ausgestattet gehe ich ohne sonderliche Erwartungen zum Frühstück und werde reichlich positiv überrascht.
Es werden mehrere Gänge serviert, alles ist frisch und schmackhaft. Dazu gibt's guten Kaffee und frisch gepressten Saft.


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Beim Auschecken kümmert die Mitarbeiterin des Hotels sich darum, meine internationale Versicherungskarte für mich auszudrucken.
Bezahlen kann ich mit meinen restlichen Albanischen Lek und zusätzlich mit Euro.
Der Besitzer hilft mir ungefragt mit meinem Gepäck und wir kommen noch etwas ins Gespräch. Er erzählt, dass er sich stets riesig über Westeuropäische Gäste freut, die in sein Hotel und in sein Land kommen.
Bei der Verabschiedung hat er mir noch eine Flasche Wasser mit Zitrone und frischer Minze vorbereitet, als Erfrischung für unterwegs.

Nun geht es aus Tirana raus und sobald ich mal den "Speckgürtel" verlassen habe, wartet eine tolle Landschaft auf mich.
Es ist erst hügelig, später auch bergig und geht dann über den Krraba-Pass.


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Ich bin in abgelegenen Gebieten unterwegs, genieße die Landschaft und das herrliche Wetter, bis plötzlich der Motor anders klingt und weniger gut Gas annimmt.
Zunächst versuche ich im Stand mal richtig Gas zu geben, ruckle auch kräftig an der Karre, falls sich an der Fliehkraftkupplung etwas verklemmt hat, aber es hilft alles nicht. Der Motor gibt ein letztes Röcheln von sich und dann wird es ruhig.
Das ist jetzt weniger gut, denke ich mir...
Im Kopf gehe ich bereits meine Optionen durch.

Mein Plan B:
Der ADAC würde mir zwar auch in Albanien helfen. Aber das sieht dann so aus, dass sie mir ein Bahnticket bezahlen und sich innerhalb von ein paar Wochen um den Rücktransport des Rollers kümmern.

Mein Plan C:
Roller am Straßenrand anzünden und mit dem Flieger nach Hause.

Für beide Pläne war ich noch nicht bereit und so schmeiße ich am staubigen Straßenrand das Gepäck vom Roller, baue die Sitzbank ab und habe den bis hierhin so tapferen 50ccm Motor vor mir.
Die Zündkerze fliegt raus und wird gegen meine einzige mitgeführte Ersatzkerze getauscht.
Dann baue ich den Vergaser aus, zerlege ihn und sprühe alles kräftig mit der ebenfalls mitgeführten Pulle Bremsreiniger aus.


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Vorsichtig setze ich alles zusammen, um bloß keine der kleinen Gummidichtungen zu beschädigen.
Nun entscheidet sich, ob die Reise weitergeht, oder am staubigen Straßenrand im Süd-Osten Albaniens endet.
Ein Druck auf den Startknopf erweckt den Motor mit dem bekannten 2-Takt-Knattern geräuschvoll zum Leben und die Probefahrt 100 Meter die Straße hoch und wieder zurück zeigt, dass scheinbar noch etwas Leben in dem treuen Gefährt steckt!

Ich packe wieder alles zusammen, "sattele" den Roller und es geht, wenn auch mit leicht mulmigem Gefühl, weiter.
Sollte es das wirklich gewesen sein?
Mir kommt die erste Tankstelle nach der Grenze von Mazedonien nach Albanien wieder in den Sinn und ich bin mir fast sicher, ja hoffe sogar etwas, dass ich dort bloß verschmutzten Sprit bekommen habe, der den Vergaser verstopft hat.


Nach einer Weile folgt der nächste Grenzübergang und ich lege zum ersten Mal auch die internationale Versicherungskarte vor.
DAS ist es, was die Grenzer sehen wollen!
Dort steht, dass der Versicherungsschutz für das Fahrzeug im Land gegeben ist und erstaunlich schnell und einfach kann ich einreisen.


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Ich bin in Nordmazedonien!
Mein Tagesziel ist Orhid, direkt am Orhid-See und so fahre ich die letzten Kilometer der heutigen Etappe um die Nordspitze des Sees direkt nach Orhid.
Der erste Weg führt mich in den Autoteileladen, der gleich neben meinem Hotel liegt. Ich bin erstaunt und froh, dass genau die benötigte Zündkerze vorrätig ist und kaufe sicherheitshalber gleich zwei.
Man weiß ja nie :-)


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Orhid und der See zeigen sich von ihrer besten Seite. Ich lasse mich etwas durch den Ort treiben, genieße die bunte Mischung und das teils muslimisch geprägte Stadtbild. Es gibt leckere Rippchen vom Grill und vorweg Datteln im Speckmantel.


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Später am Abend gebe ich meine letzten Denar für eine große Flasche Wasser und ein Feierabendbier aus.
Ich bin froh, dass die Reise weitergehen kann und plane die Strecke für den nächsten Tag.
Der südlichste Teil dieser Tour ist erreicht.


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